Kampf gegen Dark Patterns: Wie EU-Behörden und internationale Regulierer manipulative Designpraktiken eindämmen wollen

Digitale Dienste und Online-Plattformen stehen zunehmend in der Kritik wegen sogenannter Dark Patterns. Damit sind Gestaltungsmuster gemeint, die Nutzerinnen und Nutzer zu Entscheidungen bewegen, die sie unter transparenten Bedingungen möglicherweise nicht treffen würden. Ein aktueller Bericht des European Parliamentary Research Service weist darauf hin, dass Dark Patterns in vielen Online-Umgebungen anzutreffen sind. Zu den gängigen Formen gehören laut Analyse unter anderem künstliche Dringlichkeit durch Countdown-Timer, voreingestellte Opt-ins, erschwerte Kündigungsprozesse, versteckte Kosten sowie Interface-Elemente, die Werbung als reguläre Navigation tarnen.
Die bisherige EU-Rechtslage: Fragmentiert, aber nicht regellos
Trotz zahlreicher Einzelregelungen existiert in der Europäischen Union bislang keine einheitliche gesetzliche Definition, die alle Erscheinungsformen von Dark Patterns abdeckt. Dies führt nach Einschätzung des EPRS zu einer fragmentierten Rechtslage, da unterschiedliche Regelwerke jeweils nur Teilaspekte adressieren. Besonders relevant sind dabei drei Säulen: die Unfair Commercial Practices Directive mit ihren Vorgaben gegen irreführende oder aggressive Geschäftspraktiken, die Datenschutz-Grundverordnung mit Transparenz- und Fairnessanforderungen sowie der Digital Services Act. Letzterer enthält in Artikel 25 bereits ein ausdrückliches Verbot von irreführenden oder manipulativen Interface-Designs, wie sie im Kontext von Dark Patterns häufig vorkommen.
Der Digital Omnibus: Ein neuer Ansatz zur Vereinheitlichung
Parallel dazu arbeitet die Europäische Kommission an weitergehenden Regulierungsansätzen. Teil des aktuellen Digital Package beziehungsweise Digital Omnibus ist eine umfassende Reform verschiedener digitalpolitischer Strukturen. Ziel ist es, die Vielzahl an Rechtsrahmen zu vereinheitlichen und bestehende Melde- sowie Einwilligungsprozesse effizienter zu gestalten. Ein zentrales Element sind browserbasierte oder maschinenlesbare Einwilligungssignale, die Cookie-Banner perspektivisch ersetzen sollen. Nutzende könnten demnach allgemeine Datenschutz- und Tracking-Präferenzen direkt im Browser festlegen, während Webseiten diese automatisch respektieren müssten. So wird der Cookie-Banner-Flut bald, wie hier genauer beschrieben, ein Ende gesetzt werden.
Die im Digital Package bzw. Digital Omnibus vorgesehenen vereinfachten Einwilligungen gelten für allgemeine Datenschutz- und Trackingprozesse. Sie erfassen bislang keine sektorspezifischen Aufsichts- oder Pflichtsysteme, etwa im Glücksspielbereich LUGAS oder OASIS, ebenso wenig KYC-Prüfungen oder AML-Monitoring. Diese Prozesse beruhen nicht auf freiwilligen Einwilligungen der Nutzerinnen und Nutzer, sondern auf gesetzlichen Vorgaben und können daher nicht durch standardisierte Browser-Einwilligungen ersetzt werden.
Im genannten Glücksspielsektor sind diese Sammel-und Sperrsysteme allerdings nur bei GGL lizenzierten Betreibern Pflicht und internationale Anbieter unterliegen anderen Regelmodellen. Wer wissen will, welche Schutzmaßnahmen solche Anbieter implementieren und unter welchen Lizenzen sie agieren, kann hier weiterlesen!
Damit bleibt der Omnibus-Ansatz klar auf generische digitale Nutzerentscheidungen fokussiert – und führt zurück zum eigentlichen Kernthema: den Maßnahmen gegen manipulative Gestaltungsmuster und unübersichtliche Einwilligungswege im digitalen Alltag.
Behörden schreiten bereits heute ein
Während diese Reformen vorbereitet werden, ist bereits heute erkennbar, dass Dark Patterns häufig Gegenstand regulatorischer Durchsetzungen sind. Verbraucherschutzorganisationen und Behörden benennen regelmäßig konkrete Fälle. Ein vielbeachtetes Beispiel ist die Beschwerde einer europäischen Verbraucherorganisation gegenüber dem Modeanbieter SHEIN.
In dieser Beschwerde werden mehrere Interface-Praktiken aufgeführt, darunter Pop-ups mit zeitlicher Dringlichkeit, Gamification-Elemente sowie kontinuierlich animierte Rabattversprechen. Solche Elemente können laut Beschwerde dazu führen, dass Verbrauchende Entscheidungen treffen, die durch die Gestaltung maßgeblich beeinflusst werden.
Auch Plattformunternehmen geraten ins Blickfeld der Aufsichtsbehörden. In einem Fall stellte die Europäische Kommission gegenüber Meta und TikTok fest, dass bestimmte Melde- und Beschwerdeprozesse auf den Plattformen für Nutzende unnötig erschwert seien. Diese erschwerten Schrittfolgen werden in den Untersuchungen als mögliches Dark-Pattern-Element bewertet, da sie Nutzerinnen und Nutzer davon abhalten könnten, unerwünschte oder illegale Inhalte tatsächlich zu melden.
Der geplante Digital Fairness Act
Diese Beispiele zeigen, dass Dark Patterns bereits unter bestehende europäische Regelwerke fallen können, selbst ohne explizite Spezialnorm. Gleichzeitig weisen Fachanalysen darauf hin, dass klare und konsistente Vorgaben fehlen, um die Durchsetzung langfristig zu vereinheitlichen. Der geplante Digital Fairness Act könnte hier Anknüpfungspunkte schaffen. Er ist als gezielte Regulierung von digitalen Fairness-Standards konzipiert und würde manipulative Designs, süchtig machende Interface-Mechanismen und intransparente Empfehlungslogiken umfassender adressieren. Stellungnahmen aus Verbänden betonen allerdings, dass klare Definitionen notwendig sind, um Überschneidungen mit bestehenden Gesetzen zu vermeiden.
Internationale Entwicklungen
Ein Blick in andere Weltregionen zeigt, dass das Thema international an Bedeutung gewinnt. In den USA hat die Federal Trade Commission gemeinsam mit internationalen Partnernetzwerken im Jahr 2024 eine große Untersuchung von 642 Websites und Apps durchgeführt. Dabei wurden zahlreiche potenzielle Dark-Pattern-Praktiken identifiziert, vor allem bei Abo-Modellen und datenschutzrelevanten Entscheidungen.
Die FTC greift solche Praktiken über bestehende Verbraucherschutz- und Wettbewerbsnormen an, doch ein expliziter gesetzlicher Rahmen für Dark Patterns existiert dort bislang nicht. Fachanalysen weisen darauf hin, dass die fehlende einheitliche Definition sowie die Unterschiede zwischen Web- und App-Umgebungen die Durchsetzung erschweren.
In Indien hat die Central Consumer Protection Authority die großen E-Commerce-Plattformen aufgefordert, verpflichtende Selbst-Audits durchzuführen, um potenzielle manipulative Designs zu identifizieren. Zusätzlich untersucht die Behörde konkrete Verdachtsfälle und stellt mögliche Sanktionen in Aussicht.
Die internationale Entwicklung zeigt, dass zahlreiche Behörden weltweit daran arbeiten, manipulative Gestaltungsmuster in digitalen Umgebungen einzudämmen. Gleichzeitig wird deutlich, dass Definitionen, Messbarkeit und Durchsetzung weiterhin zentrale Herausforderungen bleiben. Während die EU an strukturellen Reformen arbeitet und internationale Regulatoren verstärkt Prüfungen durchführen, bleibt das Ziel ähnlich: Nutzerinnen und Nutzer sollen digitale Entscheidungen unter transparenten und fairen Bedingungen treffen können.



