Lebensstil

Wie gewährleistet man die Pflege für eine ältere Person?

Die Gewährleistung einer angemessenen Pflege für eine ältere Person ist eine Herausforderung, mit der viele Familien konfrontiert sind. In Deutschland, einem Land mit einer der höchsten Alterungsraten in Europa, ist das Pflegesystem hochentwickelt, aber gleichzeitig komplex und kostspielig. Es basiert auf der obligatorischen Pflegeversicherung, die das Fundament für die Finanzierung und Organisation der Unterstützung bildet.

Das Verständnis der deutschen Realitäten ist entscheidend, um die bestmögliche Pflege für einen Angehörigen bewusst planen und organisieren zu können. Der folgende Artikel erläutert detailliert, wie dieses System funktioniert und welche Schritte zu unternehmen sind.

Das Fundament des deutschen Systems: Die Pflegeversicherung

In Deutschland unterliegt jede krankenversicherte Person (ob gesetzlich oder privat) automatisch auch der verpflichtenden Pflegeversicherung. Sie bildet die sogenannte „fünfte Säule“ des deutschen Sozialversicherungssystems.

Genau aus diesem Fonds (der Pflegekasse, die an die jeweilige Krankenkasse angebunden ist) wird der Großteil der Pflegeleistungen finanziert. Das Schlüsselprinzip dabei ist, dass diese Versicherung nicht die gesamten Kosten deckt, sondern nur einen Teil (Teilkaskoversicherung). Sie stellt eine Unterstützung dar, aber ein Eigenanteil ist fast immer erforderlich.

Der erste und wichtigste Schritt: Die Feststellung des Pflegegrades

Um überhaupt Leistungen beantragen zu können, ist die formelle Feststellung des Pflegebedarfs unerlässlich. Zu diesem Zweck wird ein Antrag auf Pflegeleistungen bei der Pflegekasse des Seniors gestellt.

Nach Antragstellung beauftragt die Kasse den Medizinischen Dienst (MD, ehemals MDK), eine Begutachtung des Gesundheitszustands und der Selbstständigkeit des Seniors durchzuführen. Ein Gutachter besucht die Person in ihrem Zuhause und bewertet anhand eines detaillierten Fragenkatalogs ihre Selbstständigkeit in sechs Modulen (u.a. Mobilität, kognitive Fähigkeiten, Selbstversorgung, Umgang mit Krankheit).

Anhand der gesammelten Punkte wird einer der fünf Pflegegrade zuerkannt:

  • Pflegegrad 1: Geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit.
  • Pflegegrad 2: Erhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit.
  • Pflegegrad 3: Schwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit.
  • Pflegegrad 4: Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit.
  • Pflegegrad 5: Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung.

Von dem zuerkannten Pflegegrad hängen die Höhe und Art der verfügbaren Leistungen ab.

Optionen der Pflegeorganisation: Zuhause oder in einer Einrichtung?

Das deutsche Recht unterstützt den Grundsatz „ambulant vor stationär“, was bedeutet, dass es Priorität hat, dem Senior einen möglichst langen Verbleib im eigenen Zuhause zu ermöglichen.

Pflege zu Hause

Dies ist die am häufigsten gewählte Pflegeform in Deutschland. Sie kann auf verschiedene Weisen realisiert werden:

  1. Pflege durch Angehörige Entscheidet sich die Familie, die Pflege selbst zu übernehmen, steht dem Senior (ab Pflegegrad 2) das sogenannte Pflegegeld zu. Dies ist ein Geldbetrag, der direkt an den Senior ausgezahlt wird und über den er frei verfügen kann, z.B. als finanzielle Anerkennung an ein pflegendes Familienmitglied.
  2. Professionelle ambulante Pflegedienste Die Familie kann einen zugelassenen deutschen Pflegedienst beauftragen. Dessen Mitarbeiter (Pfleger) kommen mehrmals täglich oder wöchentlich zum Senior nach Hause, um bei der Körperpflege, dem Ankleiden, der Medikamentengabe oder der Haushaltsführung zu helfen. Die Kosten hierfür werden von der Pflegekasse bis zur Höhe der sogenannten Pflegesachleistungen übernommen.
  3. Kombinationsleistung Es ist möglich, beide oben genannten Formen zu kombinieren – ein Teil der Pflege wird von der Familie geleistet (wofür sie ein anteilig gekürztes Pflegegeld erhält), und ein Teil wird vom Pflegedienst übernommen (der einen Teil des Budgets für Pflegesachleistungen nutzt).
  4. 24-Stunden-Pflege In der deutschen Realität ist dies eine sehr beliebte Lösung, die oft von Betreuungskräften aus Polen und anderen osteuropäischen Ländern umgesetzt wird. Sie besteht darin, dass die Betreuungskraft im Haushalt des Seniors wohnt und eine ständige Anwesenheit und Unterstützung gewährleistet.
    • Wichtig: Die Pflegeversicherung finanziert dieses Modell grundsätzlich nicht. Die Kosten (normalerweise zwischen 2500 und 3500 Euro pro Monat) müssen privat getragen werden. Viele Familien verwenden hierfür das erhaltene Pflegegeld, dieser Betrag ist jedoch bei weitem nicht ausreichend. Legale Beschäftigungsformen sind meist die Entsendung der Arbeitskraft durch eine polnische Agentur (Entsendemodell) oder seltener die Selbstständigkeit der Betreuungskraft in Deutschland (Gewerbe). Plattformen wie multipflege.de sind eine Anlaufstelle, auf der Familien ein Formular ausfüllen und Angebote für Betreuungskräfte erhalten können, um eine passende Betreuung zu finden.

Stationäre Pflege

Wenn die Pflege zu Hause aufgrund des Gesundheitszustands des Seniors oder mangelnder Organisationsmöglichkeiten nicht mehr möglich ist, ist eine stationäre Einrichtung (Pflegeheim oder Altenheim) die Lösung.

Dies ist die teuerste Pflegeform. Die Pflegekasse übernimmt nur einen Teil der Kosten, die direkt mit der Pflege zusammenhängen. Der Senior (oder seine Familie) muss hingegen die Kosten für Unterkunft, Verpflegung sowie die sogenannten Investitionskosten der Einrichtung vollständig selbst tragen. Dieser Eigenanteil ist sehr hoch und beträgt je nach Region und Einrichtung durchschnittlich zwischen 2000 und sogar 3000 Euro pro Monat.

Wenn die Rente des Seniors und seine Ersparnisse nicht ausreichen, um den Eigenanteil zu decken, können in erster Linie die Kinder zur Zuzahlung verpflichtet werden (sofern ihr jährliches Bruttoeinkommen 100.000 Euro pro Kind übersteigt). Andernfalls deckt das Sozialamt diese Kosten im Rahmen der „Hilfe zur Pflege“.

Hybridlösungen und Unterstützung für Pflegende

Das deutsche System bietet auch Zwischenformen an, die Familien entlasten und die häusliche Pflege unterstützen sollen:

  • Tages- und Nachtpflege: Der Senior verbringt den Tag (oder die Nacht) in einer spezialisierten Einrichtung, wo er Betreuung, Aktivierung und Mahlzeiten erhält, und kehrt abends in sein Zuhause zurück. Die Pflegekasse stellt hierfür ein separates Budget zur Verfügung.
  • Kurzzeitpflege: Dies ist ein vorübergehender (bis zu mehreren Wochen) Aufenthalt in einer stationären Einrichtung, z.B. zur Genesung nach einem Krankenhausaufenthalt oder wenn die häusliche Pflege neu organisiert werden muss.
  • Verhinderungspflege: Dies ist eine entscheidende Unterstützung für pflegende Angehörige. Wenn die Hauptpflegeperson (z.B. die Tochter oder der Ehepartner) in den Urlaub fährt, krank ist oder einfach eine Pause braucht, finanziert die Pflegekasse für diese Zeit eine Vertretung (bis zu 6 Wochen im Jahr). Dies kann ein professioneller Dienst oder sogar eine Nachbarin sein.

Rechtliche und finanzielle Planung: Unerlässliche Vorsorge

Bei der Organisation der Pflege in Deutschland dürfen die formell-rechtlichen Aspekte nicht vergessen werden. In Deutschland wird großer Wert auf die Autonomie des Einzelnen gelegt, daher ist eine frühzeitige Vorbereitung entscheidend:

  1. Vorsorgevollmacht: Dies ist das wichtigste Dokument. Der Senior bevollmächtigt darin eine Vertrauensperson (z.B. ein Kind), für ihn Entscheidungen (finanzielle, medizinische, behördliche) zu treffen, wenn er selbst dazu nicht mehr in der Lage ist (z.B. aufgrund von Demenz). Ohne dieses Dokument muss im Ernstfall ein gerichtlicher Betreuer bestellt werden, der nicht zwangsläufig ein Familienmitglied sein muss.
  2. Patientenverfügung: Der Senior legt darin fest, welche medizinischen Maßnahmen er wünscht und welche er ablehnt (z.B. den Anschluss an ein Beatmungsgerät, lebenserhaltende Maßnahmen), falls er bewusstlos und nicht mehr einwilligungsfähig sein sollte.

Wo findet man Hilfe und Informationen?

Sich im deutschen Pflegesystem zurechtzufinden, ist selbst für Deutsche schwierig. Es gibt jedoch ein Netzwerk von kostenlosen Beratungsstellen:

  • Pflegekassen: Sie sind gesetzlich verpflichtet, ihre Versicherten zu beraten.
  • Pflegestützpunkte: Dies sind lokale, neutrale Beratungsstellen, die von den Kassen und Kommunen finanziert werden und bei der Antragsstellung und der Suche nach der passenden Pflegeform helfen.
  • Soziale und karitative Organisationen (z.B. Caritas, Diakonie, AWO).

Zusammenfassung

Die Pflege einer älteren Person in Deutschland ist ein Prozess, der ein tiefes Verständnis des Pflegeversicherungssystems und der verfügbaren Optionen erfordert. Dieses System bietet zwar breite Unterstützung, ist aber bürokratisch komplex und fast immer mit einem erheblichen finanziellen Eigenanteil seitens des Seniors oder seiner Familie verbunden. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der frühzeitigen Planung, der Beantragung eines Pflegegrades und der rechtlichen Absicherung durch eine Vorsorgevollmacht.

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